Und wenn wir fliehen dann hoffen wir.
Wir hoffe auf die andere Welt.
IM TUNNEL
Ein Theaterstück von Kai-Uwe Kohlschmidt
Die Asylrichterin Anna wird mit dem geheimnisvollen Fall der Syrerin Naida konfrontiert. Während der Anhörungen sieht die Richterin plötzlich Gesichter, hat Déjà-vus. Es scheint, als evoziere die Syrerin in ihr diese Bilder von einem Ort, an dem die Richterin als Baby ihre Eltern verlor: ein Fluchttunnel im Berlin der 60er Jahre.
Ihre Mutter Hanna, Schriftstellerin, und ihr Vater Bartsch, Stasi-Offizier, haben sich in zunehmenden Konflikten mit der Gesellschaft in der DDR auseinandergelebt. Fritz, der Bruder der Mutter, ist bereits nach Westberlin geflohen. Er beginnt nun, einen Tunnel zu graben, um ihr und ihrer kleinen Tochter, die noch ein Baby ist, die Flucht zu ermöglichen. Die Widerstände sind vielfältig: Wassereinbrüche, ein Stasi-Gegentunnel, Streit und Verrat…
Alb-und Schachtelträume — die Geschichte der Richterin Anna — die Geschichte der Syrerin Naida. Sind sie nur Reflektionen ihres eigenen Schicksals? Nur eine Imagination? Vielleicht der Schlüssel zu ihrem eigenen Trauma…
Die Geschichte der Berliner Fluchttunnel ist eine Geschichte der Selbstbestimmung, eine Demonstration ungeheuren Mutes und von Verzweiflung. Die Kraft, die Menschen dazu bringt, Staatsgrenzen zu „unterhöhlen”, hat eine anarchistische Komponente und wurzelt im Chaos des untergehenden Nazideutschlands. Dort verlor sich der Glaube und das Vertrauen in Systeme schlechthin. Die Tunnelbauer und Flüchtlinge der 60er Jahre kannten das Leid auseinandergerissener Familien noch aus ihrer Kindheit. Für kein System würden sie es jemals wieder akzeptieren.
So entstanden Tunnelprojekte wie der „Tunnel29″ (1962) oder der „Tunnel57″ (1964). Die Menschen nahmen ihr Schicksal buchstäblich in die eigenen Hände und begannen, Tunnel zu graben.
Historie fängt nicht an und hört auf. Alle Geschichten sind miteinander verbunden. Der Bürgerkrieg in Syrien fußt ebenso auf den Konfliktlinien des letzten Weltkrieges wie auch das geteilte Berlin. Die Verwerfungen geopolitischer Eruptionen bringen seit eher Menschen in Not. Sie fliehen und irren über diesen Planeten um zu leben, zu überleben. Aus großer Entfernung könnte man das unter Wanderungen der Evolution verbuchen. Geht man nahe heran, brennen syrische Dörfer. Und wir haben mehr damit zu tun, als uns lieb sein kann. Denn es sind Menschen und keine Naturereignisse, die die Systeme gestalten, die die Grenzen ziehen. Auch diese Geschichte endet nicht, in dem wir den Fernseher ausschalten oder das Theater verlassen.
© Eine Produktion des Theater in den Unterwelten und des Berliner Unterwelten e.V. 2013
Mit Katharina Groth, Momo Kohlschmidt, Johannes Richard Voelkel, Claas Würfel, Gero Bergmann und Dennis Katzmann
Regie Momo Kohlschmidt
Musik Kai-Uwe Kohlschmidt
Premiere Theater in den Unterwelten, Berlin
© Eine Produktion des Berliner Unterwelten e.V. 2013
Zu dieser Theaterproduktion ist eine DVD mit einer Liveaufzeichnung erschienen:
Doppel DVD mit 24 Seiten Booklet/ Theaterstück Live und Extras
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